Unsere Gesellschaft muss spiritueller werden

Um eine spannende Frage drehte sich unser Jahres-Symposium am 24. und 25.9.2021 im Priesterseminar Eichstätt.  Im Zentrum des Fachtreffens mit dem Titel „Braucht Demokratie Spiritualität?“ stand die Frage nach den Haltungen und Spiritualität(en), die eine Demokratie benötigt, um den Tendenzen zu Ausgrenzung, Spaltung und Populismus zu widerstehen.

Konkret: Bedarf es der Transzendenz, um eine Kultur des Dialogs und pluralen Zusammenlebens zu ermöglichen? Und: Welche Spiritualität braucht die Demokratie – bzw. was kann die Demokratie zu einer authentischen Spiritualität beitragen?

An der Veranstaltung, einer Kooperation des Instituts Simone Weil, der Diözese Eichstätt und der Katholischen Universität Eichstätt, haben 38 Teilnehmer teilgenommen. Gemeinsam mit den renommierten Referenten Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB, Prof. Dr. Martin Kirschner (KU Eichstätt-Ingolstadt) und Prof. Dr. Hans-Joachim Sander (Universität Salzburg) suchten sie Antworten auf all diese Fragen.

Ausgangspunkt der Überlegungen war ein Vergleich zwischen dem Deutschen Grundgesetz und der Grundrechts-Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Während sich die EU als Werteunion versteht, ohne dabei Gott zu nennen, wird im Grundgesetz der BRD die Verantwortung vor Gott und den Menschen als Basis genannt.

Dass an derart prominenter Stelle auf ein höheres Wesen Bezug genommen wird, war bei der Entstehung des Grundgesetzes 1949 strittig; Kritiker witterten dahinter ein Glaubensbekenntnis bis hin zum Gottesstaat. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags setzen dem entgegen: „Zutreffend ist, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes in der Bezugnahme auf Gott den christlichen Gott des Alten und Neuen Testaments vor Augen hatten. Hieraus ergibt sich jedoch kein Widerspruch zu der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates. So hat der Verfassungsgeber zwar im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott gehandelt, aber mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 1, 137 Abs. 1 WRV einen religiös und weltanschaulich neutralen Staat entworfen.“

Für Ruth Seubert „ermöglicht nur die Achtung vor der Würde des Einzelnen die Vereinbarkeit von Kultur und Religion“. Religionsfreiheit fordere eine andere Spiritualität als eine, die an einen bestimmten Gottesglauben gebunden ist, sagt sie. Prof. Dr. Hans-Joachim Sander von der Universität Salzburg regte deshalb an, „zwischen Religion, Glaube und Spiritualität zu unterscheiden“. Religion sei dabei als politische Größe, Glaube als Gemeinschafts-Größe und Spiritualität als individuelle Größe zu verstehen.

Daraus ergibt sich, so Seubert weiter, dass eine Demokratie zwar Religionen und Glaubensgemeinschaften integrieren könne. Wirklich tragend sei aber nur die Spiritualität, also die Einstellung des Einzelnen und die Bejahung der Grundwerte. Denn – und hier zitiert Seubert Ruth C. Cohn: „Es gibt keinen Wert an sich, sondern nur in Anbindung an ein Absolutum.“

In der Schlussfolgerung bedeutet das: „Wir brauchen eine Bildung, die der Frage nach dem Absolutum dient. Unsere Gesellschaft muss spiritueller werden. Denn nur so entsteht echte Demokratiefähigkeit. Wenn wir die Inkarnation Gottes also wirklich ernst nehmen, müssen wir jedes Faktum der Geschichte sowohl theologisch als auch theologisch deuten und in Sprache übersetzen. Gott in Welt, Gott in Geschichte.

Text: Anja Legge / Fotos: Bettina Karwath

Mehr über das Symposium lesen Sie

  • Hier, auf den Seiten von katholisch.de
  • Hier, bei Domradio
  • Demnächst in unserem Rundbrief „Am Puls“